Es sind Sommerferien, auch für unsere Autorinnen und Autoren. Deshalb publizieren wir einige Beiträge, die besonders viel zu reden gaben. Dieser Beitrag erschien erstmals am 23. Januar 2018.
Mein Sohn darf sich beim Bäcker ein Zvieri aussuchen. Er denkt angestrengt nach, wägt stillschweigend die Pro und Kontra eines Muffins ab, fragt sich, ob die Berliner wohl mit Himbeer- oder Pflaumenmarmelade gefüllt sind, macht die Theke entlang einen Schritt nach links, zwei nach rechts, bleibt vor den Spitzbuben stehen, schaut auf zu den Brezeln und wieder runter zu den Muffins.
Leises Hüsteln vom Verkäufer, lautes Räuspern in der Schlange hinter mir. «Und?», frage ich drängend, gewähre zuerst dem Kunden nach uns und letztlich auch allen anderen den Vortritt, bevor ich ein Machtwort spreche: «Entweder du entscheidest dich jetzt, oder wir kaufen nichts.» «Ein Rosinenbrötchen», sagt er daraufhin etwas zerknirscht, und noch während ich heimlich die Augen verdrehe, weiss ich, dass meine Ungeduld fehl am Platz ist; schliesslich treffe ich meine Entscheidungen in der Regel ja auch nicht leichtfertig, und während wir heute noch über Rosinenbrötchen, die rote, die gelbe oder am liebsten gar keine Regenjacke diskutieren, werden die Themenfelder, innerhalb derer unser Sohn Entscheide fällen muss, zunehmend komplexer. Umso wichtiger also, dass er übt.
Meine oder deine Entscheidung?
Denn Entscheide zu treffen, bedeutet Verantwortung zu übernehmen, und das will gelernt sein. Doch ab wann können Kinder die möglichen Konsequenzen ihrer Entscheidungen voraussehen und somit auch wirklich die Verantwortung dafür übernehmen? Und umgekehrt gefragt: Bei welchen Entscheidungen und ab welchem Alter soll man Kinder überhaupt miteinbeziehen?
Bei uns stehen bald grössere Veränderungen an. Aus beruflichen Gründen müssen wir demnächst in ein anderes Land ziehen, wohin ist noch unklar, verschiedene Optionen stehen zur Auswahl, und wir können unsere Wünsche kundtun. Die Kinder möchten unbedingt nach Bern. Das hat leicht nachvollziehbare Gründe, denn in der Schweiz leben ihre Paten, ihre Cousins und Grosseltern; Bern ist ihnen von zahlreichen Besuchen her bekannt, Ausflüge auf den Gurten lieben sie, und zudem hat ihnen das eine Gotti für den Fall, dass wir in Bern leben sollten, eine YB-Jahreskarte versprochen – logisch, wollen die beiden nach Bern.
Obwohl ich Bern sehr mag und immer gern dort gelebt habe, könnte ich mir auch gut vorstellen, für einige Jahre nach Portugal oder Spanien zu ziehen. Irgendeinmal in die Schweiz zurückzukehren, wäre schön, aber soll es schon jetzt sein?
So oder so bestimmen die Kinder mit
Selbstverständlich reden unsere Kinder mit, und genauso klar ist es, dass wir nirgendwo hinziehen würden, wo es ihnen nicht gut gehen kann oder ihre Freiheiten wesentlich eingeschränkt wären; das Wohl der Familie steht immer an erster Stelle – aber sollen sie auch mitentscheiden? Zählen ihre Stimmen in dieser Frage gleich viel wie unsere, weniger oder gar mehr? Oder sind 9-jährige Kinder damit schlicht überfordert?
So oder so beeinflussen die Argumente und Wünsche der Kinder unseren Entscheidungsprozess und vermischen sich mit unseren eigenen Anliegen. Insofern bestimmen die Kinder mit, auch wenn am Ende wir Eltern die Verantwortung übernehmen und entscheiden müssen. Ich nehme an, bei Themen wie Ferien, Hauskauf, Anschaffung eines Haustiers oder anderen Entscheiden, von denen alle Familienmitglieder betroffen sind, ist das nicht viel anders.
Bezüglich unserer Umzugspläne bleibt uns zum Glück noch ein bisschen Zeit zum Reden, Abwägen und Herausfinden, was für unsere Familie derzeit wichtiger ist: unbekannte Abenteuer und neuer Alltag im Süden – oder vertrautes Bern mit Freunden, Verwandten und hoffentlich vielen, vielen YB-Toren.
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Der Beitrag Best of: Wann dürfen Kinder mitentscheiden? erschien zuerst auf Mamablog.