«Ähm, jetzt muss ich aber doch mal fragen», leitet die Erzieherin meiner zweijährigen Tochter unser übliches kurzes Gespräch beim Abholen ein. «Ja, was denn?», erkundige ich mich, während ich versuche, meinem kleinen Pustetroll dabei zu helfen, in seine Schuhe zu kommen.
«Maja hat mir heute ungefähr ein Dutzend Mal erzählt, dass der Papa sie nicht haut. Und da frage ich mich schon, was das zu bedeuten hat.«
Ich seufze. Ein bisschen zumindest. Eigentlich habe ich überhaupt keine Zeit, der Pustetroll quengelt, oben wartet der grosse Bruder, die grossen Geschwister wollen irgendwo hingefahren werden. Die Küche sieht aus, als hätte man in einem Topf voller Tomatensosse einen Böller gezündet, und arbeiten muss ich heute Abend auch noch (Ach, sagen wir, wie es ist: Heute Nacht zwischen 22 und 2 Uhr). Aber das hier klingt wichtig.
Merkwürdig? Stimmt!
Also hole ich tief Luft und versuche mich an einer Erklärung: Die jüngeren Geschwister rappeln gerade immer mal wieder gegeneinander. Und während mein Vierjähriger seine altersmässige Überlegenheit ausspielt, indem er manipuliert und das Spielzeug, das er haben will, aus den Händen seiner Schwester quatscht, haut die in letzter Zeit gelegentlich zu. Was darauf folgt, sind Ansagen von meiner Lebenskomplizin und mir, dass Hauen nicht in Ordnung ist, dass wir uns innerhalb der Familie darum bemühen, nett zueinander zu sein und dass Mama und Papa auch nicht auf die Idee kommen würden, irgendwen zu hauen.
Meine Kleine hat daraus »Papa haut mich nicht!« gemacht. Das ist natürlich richtig so und im Prinzip ein Grund zur Freude. Wenn eine Zweijährige das allerdings über den Tag verteilt immer wieder und ohne erkennbaren Zusammenhang sagt, dann wirkt das ziemlich merkwürdig. Dann sieht es so aus, als wäre das genaue Gegenteil der Fall und man hätte dem Kind eingetrichtert, auf Nachfragen entsprechend zu reagieren.
Unterstellungen tun weh, aber …
Ich nehme mir also die Zeit, der Erzieherin kurz zu erklären, was passiert ist, und biete ihr an, mich für ein weiterführendes Gespräch mit ihr zusammenzusetzen. Denn auch wenn es überhaupt nicht in meinen vollen Terminkalender passt und wir Zuhause unsere Auseinandersetzungen nicht mit Gewalt austragen, bin ich froh, dass sie so reagiert. Sie hat jedes Recht und allen Grund dazu.
Wenn Maja mein erstes Kind wäre, würde ich vermutlich eher so ablehnend und beleidigt auf solche «Vorwürfe» reagieren wie einige Eltern, die ich kenne. Natürlich tun Unterstellungen weh. Ausserdem können sie einen in sehr reale Schwierigkeiten bringen.
Aber sie ist mein viertes Kind. Sie kam Jahre nach diesem für mich so wichtigen klärenden Gespräch mit der Kinderärztin meiner ältesten Tochter. Die hatte nämlich festgestellt, dass meine Erstgeborene eine empfindliche Haut hat, auf der rote Flecken und Druckspuren von Berührungen noch Stunden später zu sehen sind. Flugzeug spielen, in die Luft werfen und wieder auffangen, kitzeln – all das hinterliess deutliche Fingerabdrücke auf ihrem Körper. Also empfahl sie uns, Betreuungseinrichtungen darüber immer gleich zu informieren. Die würden ja schliesslich nicht umsonst nach Allergien und anderen Besonderheiten fragen. Und so haben wir es dann auch gehalten.
Danke, liebe Erzieherin
In der Kita, in der Grundschule, bei Teilnahmen an Feriencamps. Entweder wurden wir dafür belächelt oder stirnrunzelnd angeschaut, aber spätestens wenn meine Tochter nach einer Runde Fangen aussah, als wäre sie in eine wilde Schlägerei geraten, haben die Verantwortlichen verstanden, worum es uns ging.
Auch wenn es anstrengend ist und mir Dinge unterstellt, zu denen ich mich selbst überhaupt nicht in der Lage sehe, bin ich dankbar für die Aufmerksamkeit und die Sensibilität der Erzieherin meiner jüngsten Tochter. So jemanden wünsche ich mir für mein Kind. Eine Ansprechperson für den Fall, dass wirklich mal etwas sein sollte. Eine pädagogisch geschulte Fachkraft, der das Wohlergehen meines Kindes am Herzen liegt und die auf Anzeichen achtet, dass etwas im Argen liegen könnte. Nur für alle Fälle.
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