«Figg di!», sagte mein Jüngster kürzlich zu mir. Es kam ziemlich kaltschnäuzig und vehement über seine Lippen. Natürlich war es nicht das erste Mal, dass er sich im Ton vergriffen hat. Zuvor waren es allerdings eher Kraftausdrücke aus der Bisi-Gaggi-Fudi-Ecke, mit denen er uns jeweils beschimpfte. Oder Drohungen im Stil von «Du bist nicht mehr meine Mami, wenn ich keine Glace» kriege. Also alles im grünen Bereich und manchmal sogar amüsant. Doch bei «Figg di!» hören der Spass und mein mütterliches Verständnis definitiv auf. Obwohl er aus seiner Perspektive selbstverständlich befand, dass sein Kraftausdruck durchaus der Situation angemessen war. Worum es ging? Er wollte unbedingt die Batterien seines ferngesteuerten Autos ausgetauscht bekommen, wozu er meine Hilfe benötigte. Und zwar gleich! Auf der Stelle! Jetzt sofort! Ich, gerade mit dem Belegen einer Pizza beschäftigt und im Kopf gleichzeitig meine Pendenzenliste der kommenden Tage durchgehend, verwies ihn auf später, was der kleine Mann so gar nicht goutieren konnte. Daraufhin knallte er mir besagtes «Figg di!» an den Kopf und zog trampelnd von dannen.
«WTF?!», ging es mir durch den Kopf. So billig kommst du mir nicht davon, du kleiner Wicht! Ich liess den Mozzarella Mozzarella sein und jagte ihm hinterher. Innerlich ein glühender Dampfkochtopf, äusserlich die Ruhe selbst, baute ich mich vor dem Fünfjährigen im Kinderzimmer auf, der gerade seelenruhig dabei war, seine «Pokémon»-Karten zu sortieren. Mit einem «Gahts no?!» als Einleitung und einem erhobenen Zeigefinger versuchte ich dem kleinen Kerl klarzumachen, dass solche Wörter die Grenzen der Respektlosigkeit definitiv überschreiten und ich vor dem Abendessen noch eine Entschuldigung erwarten würde. Er nahm es zur Kenntnis und beugte sich auch gleich wieder über Pikachu, Floink und Glumanda. Ein paar Minuten später, ich hatte soeben die Pizza in den Ofen geschoben, kam er abermals in die Küche gewackelt und fragte: «Du Mama, was heisst eigentlich figgen?» – In «Sendung mit der Maus»-Manier entgegnete ich ihm: «Das ist ein anderer Ausdruck dafür, wenn zwei Menschen Liebe machen.» – Seine Antwort: «Okay, dann ist das aber nichts Schlimmes, oder?»
Fluchen tut gut!
Tja, was soll man drauf antworten? Was das Verwenden von Kraftausdrücken betrifft, muss man ja ehrlicherweise zugeben, dass sie zwar nicht zum guten Ton gehören, manchmal aber verdammt guttun, nicht? Schimpfen als therapeutisches Mittel sozusagen. Als Möglichkeit, einen Zustand höchster Erregung abzubauen. Mal richtig Dampf abzulassen. Sich auszukotzen. Nicht umsonst vertreten zahlreiche Psychologen die Ansicht, dass Fluchen für unsere Gesundheit ebenso wichtig sei wie Lachen oder Weinen. Aber dennoch: Dass mir mein Kleiner «Figg di!» vor den Latz knallt, geht natürlich gar nicht. Auch wenn der Fünfjährige damit seinem Ärger hat Luft verschaffen können. No way! Schlicht unzulässig. Aber was tun, wenn kleine Menschen fluchen?
Vor allem, wenn man wie ich grundsätzlich die Ansicht vertritt, dass mit plumpen Verboten und Tabus in der Regel wenig bis gar nichts geregelt wird, was Kindererziehung betrifft. Was die Sache mit dem Fluchen angeht, so habe ich schon die eine oder andere Methode an unseren drei Kindern testen können. Bei kleinen Kids etwa kann ich die Strategie «Fluchen auf der Toilette» weiterempfehlen – sie ist simpel und äusserst effektiv: Entfährt einem Familienmitglied ein spontanes «Scheisse» oder «Arschloch» – was durchaus hin und wieder vorkommt –, wird das Schimpfwort auf dem stillen Örtchen so lange und laut wiederholt, wie man gerade möchte und bis man sich abgeregt hat. Auf diese Weise findet das «schlimme» Wort sein passendes Zuhause.
Schwule Sau vs. Onkel Philipp
Bei meinem Teenagersohn hingegen muss ich selbstverständlich anderes Geschütz auffahren. Ich versuche es derzeit mit Sensibilisierung. In der Hoffnung, dass er von selbst begreift, warum Shippi-Slang beim grosselterlichen Sonntagsessen nicht besonders gut ankommt. Dass er versteht, in welcher Gesprächssituation welche Ausdrucksweise gerade gefragt ist. Ich sage zu ihm also Dinge wie: «Wenn du deine Freunde unbedingt mit «schwule Sau» beschimpfen willst, bitte schön. Deine Entscheidung. Bei uns daheim sind Schwule aber vor allem eines: Freunde. Sie heissen Mario und Onkel Philipp.»
PS: Meine eigene Methode, um mal richtig Dampf abzulassen, heisst übrigens Verklausulierung – quasi der poetische Weg, um mit Sprache umzugehen. Ich sage also anstelle von «verdammter Scheiss» etwa «schöner Kack». Und «Arschlöcher» werden für mich jeweils zu klassischen «Armleuchtern». Schöner fluchen macht Spass!
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