Der Wecker klingelt, es ist 6.30 Uhr. Aufstehen, Wasser für den Schoppen aufkochen, die Tagesration Brei aus der Tiefkühltruhe nehmen, duschen, anziehen, Wickeltasche parat machen, meine eigene Tasche packen und dann – «dock, dock, dock» – klopft es an der Haustür. Oma ist eingetroffen, um mich und meinen Mann abzulösen. Für uns geht es zur Arbeit.
Mutter zu sein, ist nicht leicht. Eine berufstätige Mutter mit einem Arbeitspensum von 80 Prozent, schon gar nicht. Die Kinderbetreuung will gut organisiert sein, die Einkäufe werden in der Mittagspause erledigt, der Haushalt wird abends gemacht, unsere «Wir-Zeit» als Mann und Frau beginnt erst spät nachts und meine «Ich-Zeit» ist limitiert. Ganz zu schweigen von der emotionalen Hürde, meine Perle tagsüber nicht zu sehen und erst abends oder an meinen freien Tagen an ihrer Seite zu sein.
Die Wirtschaft bestimmt den Takt
Ich habe immer gerne gearbeitet und tue es immer noch. Als Marketing-Managerin führe ich meine eigenen Projekte und schätze mein selbstständiges Arbeiten. Mein Job ist mein Ausgleich zum Muttersein. Ein Ort, an dem ich nicht vollgespuckt werde, sondern ein warmes Mittagessen geniessen und Erwachsenengespräche führen kann. Eine Blase, in der ich Yasmin sein kann, nicht die Mama, die alles Herumliegende hinterherräumen muss. Eine Möglichkeit, meiner Tochter ein Vorbild zu sein und ihr zu zeigen, dass ich auch als Mutter eine berufliche Karriere fortführen kann.
Selbstverständlich vermisse ich meine Tochter an meinen Arbeitstagen. Zu gerne würde ich den ganzen Tag mit ihr zu Hause oder draussen in der Natur verbringen, mit ihr spielen und schmusen. Doch die Wirtschaft spielt da leider nicht mit. Anders als früher ist es heute schwieriger, eine Familie mit nur einem Lohn durchzubringen. Auch der Stellenmarkt lässt zu wünschen übrig, denn tiefprozentige Stellenangebote mit hoher Eigenverantwortung sind so schwer zu finden wie die Nadel im Heuhaufen. Von fehlenden Job-Sharing-Angeboten ganz zu schweigen.
Was wird von berufstätigen Müttern erwartet?
Und als wäre mein Mutterherz nicht ohnehin schon im ständigen Konflikt zwischen meinem Arbeitswillen und meinem schlechten Gewissen meiner Tochter gegenüber, sind da noch die negativen Reaktionen unserer Gesellschaft hinsichtlich meines hohen Arbeitspensums. «Was, du arbeitest 80%? Echt viel!», oder: «Vermisst du deine Tochter denn gar nicht?», höre ich regelmässig. In solchen Momenten frage ich mich, was unsere Gesellschaft von berufstätigen Müttern wie mir erwartet. Wie viele Arbeitstage wären denn angemessen? Und was ist mit meiner Ausbildung, die mich vier Jahre meines Lebens und die Steuerzahler Unsummen an Geld gekostet hat? Ist es denn wirklich so schlimm, dass ich unsere Wirtschaft unterstützen möchte? Noch dazu, wenn ich ja gerne arbeite und es meiner Tochter trotz der Fremdbetreuung an nichts fehlt?
Unlängst habe ich erkannt, dass es kein Richtig oder Falsch gibt, wenn es um das Arbeitspensum einer Mama geht. Letztlich muss unser Lebensrhythmus für uns stimmen, für mich, meinen Mann und natürlich für unsere Kleine. Und das tut es. Jeden Abend erfreut sich meine Perle an einer ausgeglichenen und zufriedenen Mutter, die voller Energie steckt und noch für den grössten Spass zu haben ist. Denn am Ende des Tages zählen nicht die Stunden, die wir getrennt, sondern die, die wir zusammen sind.
Lesen Sie dazu die Postings: Mütter, was ihr leistet, ist enorm!, Das ideale Arbeitsmodell für Eltern.
Der Beitrag «Was, du arbeitest 80 Prozent?» erschien zuerst auf Mamablog.