Die Tochter (3) küsst spontan das rosa Velo, das bei unserem Veloständer steht, sie schreit entzückt auf, wenn ich ihr ein lila Handtuch in die Hand drücke, Getränke konsumiert sie derzeit nur aus einem ganz bestimmten pinkfarbenen Becher; die Plüschbiene, die es für eine bestimmte Anzahl Märkli im Coop gibt, muss natürlich die mit der rosa Schleife sein – und die Unterhose muss pink sein, sonst zieht sich das Kind nicht weiter an. Und seit das Nachbarsmädchen im 1. Stock mit einem rosa Babywägeli durchs Quartier läuft, spricht das Kind vor dem Einschlafen und nach dem Aufwachen nur noch von diesem Gefährt. Willkommen in der Rosa-Phase. Widerstand ist zwecklos, was soll man schon dagegen tun?
Wie heftig und plötzlich diese Phase eingeschlagen hat, erstaunt mich trotzdem. Denn sie kam praktisch aus dem Nichts: Drei Jahre lang zogen wir dem Kind an, was wir wollten, respektive es zog an, was wir befahlen: marineblaue Pullöverchen, gelb gepunktete Hosen, graue Kapuzenpullover. Rosa Kleider, geschweige denn rosa Gegenstände interessierten die Tochter kaum. Kurz nach dem 3. Geburtstag begann die Sache zu kippen: Das Kind sammelte nur noch rosa Gegenstände im Haushalt zusammen, und in der Mädchenabteilung bei H&M bekam es Schnappatmung. Seither meide ich den Laden. Auch den Prinzessinnen-Lifestyle versuchen mein Partner und ich, so gut es geht, in Grenzen zu halten. Ein glitzerndes Disney-Röckli aus dem Brockenhaus solls vorerst richten.
Was passiert da im Mädchenkopf?
Ich habe nicht das Gefühl, meine Tochter verbringe viel Zeit mit anderen Mädchen in der Rosa-Phase; im Gegenteil. Sie verbringt ihre Freizeit mit Cousins, die vor allem mit Drachen, Kämpfen und Drachenkämpfen beschäftigt sind, oder mit ihrer besten Freundin, die derzeit eher darauf konzentriert ist, sich ab- und anzuziehen und sich selbst anzumalen. Und trotzdem ist ihre Freude nicht zu bremsen, wenn irgendein Gegenstand in ihre Nähe kommt, der pink oder lila ist. Diese crazy Euphorie, ausgelöst wegen einer Farbe, ist es, die mich gleichermassen fasziniert und abstösst. Ich kann nur davon ausgehen, dass die Beeinflussung im Alltag durch diese Farbtöne um vieles grösser ist als vermutet. Irgendetwas im Mädchenhirn muss da durchbrennen.
Und so lobe ich mir die alten Zeiten, als Rot die Farbe der Herrschenden war, sich Männer damit schmückten und kleine Buben Rosa trugen, während Blau für Mädchen bestimmt war: die Farbe Marias, die Farbe der Ruhe, der Weisheit und der Harmonie. Dass das eines Tages wieder der Fall sein könnte, bezweifle ich leider. Die Spielzeugindustrie wird schon dafür sorgen, dass das noch ein paar Jahrhunderte so bleiben wird.
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